THEORIE: Bereits in der Schwangerschaft taucht das Thema “Stillen” immer wieder auf. Beim ersten Kind ist die Vorstellung vom Stillen für die werdende Mutter sehr abstrakt. Die den meisten Müttern haben bereits vor der Geburt des Babys den Wunsch, die ersten Lebensmonate zu stillen. Doch bei vielen kommt es dann doch anders… einigen wenigen Müttern ist es einfach nicht möglich zu stillen. Andere hatten sich das Stillen anders vorgestellt und sehen sich nun mit der Diskrepanz zwischen den Vorstellungen vor der Geburt und der tatsächlichen Praxis des Stillens konfrontiert. Eine Vielzahl von Müttern aber genießt das Stillen und empfindet es als eine schöne und intime Interaktion mit dem Kind. Das anfängliche Stillen kann stark davon abhängen, wie die Geburt verlaufen ist und welche Atmosphäre unmittelbar danach herrscht. Babys, die gleich nach der Geburt medizinisch versorgt werden müssen können erst später angelegt werden als solche, bei denen Mutter und Kind nach der Geburt wohl auf sind und die in entspannter Umgebung das Stillen “üben” können.
Ob das Stillen in den ersten Tagen gelingt hängt zu einem großen Teil davon ab, wie unterstützend die Umgebung (das Krankenhauspersonal, der Partner, die Familie etc.) darauf reagiert.
Die WHO (World Health Organization) empfiehlt gesund geborene Kinder (dh. voll ausgetragene, normalgewichtige Babys) in den ersten sechs Monaten ausschließlich zu stillen und erst dann mit der Beikost zu beginnen. Diese Empfehlung ist vielen werdenden Eltern bekannt. Weniger bekannt ist, dass die WHO ebenfalls empfiehlt das Kind bis mindestens zum Alter von 2 Jahren nach Bedarf weiter zu stillen. In einer Studie (“Stillen und Säuglingsernährung) Ende der 90er Jahre wurde festgestellt, dass in Deutschland nach der Geburt rund 90% der Mütter stillen. Nach 2 Monaten sind es nur noch 70% (viele der Kinder wurden bereits schon im Krankenhaus abgestillt) und nach 6 Monaten 40 – 50%.
Wie kann es sein, dass trotz der offiziellen WHO Empfehlung, deren Grundlage die Erkenntnis ist, dass die Muttermilch eine optimale Ernährung für die Kinder in den ersten Monaten ist und auch das spätere Stillen ein präventiver Faktor für die Gesundheit des Kindes darstellt, so viele Mütter frühzeitig abstillen?
Ein möglicher Grund ist die Verunsicherung der Mutter (bzw. der Eltern), dass das Stillen nicht richtig funktioniert oder der Druck von außen, dass die Mutter möglichst schnell wieder für andere Aufgaben voll einsatzbereit und verfügbar sein soll (sei es im Beruf, in der Beziehung oder im häuslichen Alltag).
PRAXIS: All denjenigen, die den Wunsch haben ihr Kind zu stillen und bei denen es in den ersten Stunden oder Tagen nach der Geburt schwierig und frustrierend ist, möchte ich wirklich ans Herz legen: versucht es einfach immer mal wieder in ruhiger Atmosphäre und habt Vertrauen in euch selbst als Mutter, aber auch in euer Baby, dass sich das Stillen schon einspielen wird. Ich glaube für viele ist es eine schmale Gradwanderung: auf der einen Seite Vertrauen in sich selbst zu haben, dass man Stillen kann. Und auf der anderen Seite loszulassen und nicht an sich selbst zu zweifeln, sollte es tatsächlich nicht klappen. Ich bin davon überzeugt, dass das Stillen eine ganz intuitive Handlung zwischen Mutter und Kind ist. Stillen fördert die Bindung, ermöglicht dem Kind eine optimale Ernährung und ist einfach SO PRAKTISCH. Sei es tagsüber, dass man einfach alles, was das Kind zum Essen /Trinken benötigt dabei hat oder sei es nachts, dass man nicht aufstehen muss um ein Fläschchen zu machen, sondern sich einfach nur zum Kind drehen muss (wenn es denn direkt in einem Beistellbett am Elternbett liegt), um es zu füttern.
Die ersten Stunden und Tage braucht es viel Ruhe, Aufmunterung von außen (sei es durch Hebammen, den Partner, Kinderarzt o.ä.) und viel Geduld mit sich selbst, aber auch mit dem Baby. Oft müssen unterschiedliche Stillpositionen ausprobiert werden, bis es sich für beide stimmig anfühlt.
Nach drei Monaten gibt es bei vielen Müttern und Kindern eine weitere “Hürde”, die es gemeinsam zu überwinden gilt. Die Baby werden in dieser Zeit aktiver, neugieriger und mobiler. Sie werden von äußeren Reizen schnell abgelenkt und können sich oftmals nicht in Ruhe auf das Stillen konzentrieren. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das Stillen in dieser Zeit manchmal eine große Herausforderung ist (besonders dann, wenn man unterwegs ist und nur schwer für eine ruhige Umgebung sorgen kann). Aber ich kann auch Mut machen: Wenn man diese Phase überwunden hat, kann die Stillbeziehung umso intensiver und schöner sein. Gerade wenn das Kind mobiler wird, sich von der Mutter wegbewegen und “die Welt erkunden” kann, findet es beim Stillen oftmals Geborgenheit und Ruhe. Am Abend kann das Stillen das Kind “runterbringen”, wenn all die vielen Reize und Erlebnisse des Tages verarbeitet werden müssen.
Zudem empfand ich es persönlich als eine große Entlastung zu Stillen, wenn man mit der Beikost beginnt. Der Druck, dass das Kind sofort gut essen muss, ist viel geringer, wenn man es durch die Muttermilch grundsätzlich als versorgt weiß. Man muss sich nicht stressen, wenn das Kind einmal eine Mahlzeit komplett auslässt oder einen Tag kaum etwas trinkt.
Ich wünsche all denen, die es sich wünschen zu Stillen, dass sie viel Geduld mit sich selbst und ihrem Baby haben. Dass sie Vertrauen in ihren Körper und in ihre Psyche, sich voll und ganz verfügbar für die Bedürfnisse eines anderen zu machen, haben. Ich wünsche den werdenden Vätern, dass sie werdenden Mütter darin unterstützen, zu Stillen und dass sie die Schönheit darin erkennen können, auch wenn es im Alltag bedeutet, dass die Partnerin weniger verfügbar ist und das Füttern in den ersten Monaten ausschließlich der Mutter vorbehalten ist.
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