THEORIE: Bereits vor der Geburt müssen sich die werdenden Eltern intensiv Gedanken darüber machen, wie lange sie (je) Elternzeit nehmen möchten und durchrechnen, wie viel Elterngeld sie demnach erhalten würden. Zugegeben, es ist eine große Herausforderung einzuschätzen, wie lange man Zuhause bei dem Kind bleiben möchte bzw. wie lange dies überhaupt finanziell und beruflich gesehen möglich ist, bevor man das Baby kennenlernt.
Der Antrag auf Elternzeit muss sieben Wochen vor dessen Beginn schriftlich bei dem Arbeitgeber eingereicht werden und beinhalten, für welchen Zeitraum Elternzeit genommen wird. Das Elterngeld hingegen wird nach der Geburt bei der zuständigen Elterngeldstelle beantragt. Sich unmittelbar nach der Geburt mit bürokratischen Dingen wie dem Mutterschaftsgeld und dem Elterngeld zu befassen fällt vielen “frisch gebackenen” Eltern schwer. Deshalb ist es ratsam diesen Antrag bereits vor der Geburt soweit wie möglich auszufüllen und nach der Geburt lediglich das Geburtsdatum und ggf. den Namen des Kindes hinzuzufügen (sowie die Geburtsurkunde beizulegen).
Bei konkreten Fragen zu Elterngeld und Elternzeit kann man sich z.B. beim Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz hilfreiche Broschüren zum Thema herunterladen.
PRAXIS: Beim ersten Kind ist es sehr abstrakt sich vor der Geburt mit dem Thema Elternzeit und Elterngeld auseinanderzusetzen. Wie soll man sich, bevor man das Kind überhaupt kennenlernt und sich selbst zum ersten Mal als Mutter /Vater erlebt, festlegen ob und wie lange man Elternzeit nehmen möchte? Man kann weder einschätzen, welche Persönlichkeit das Baby mitbringen wird (ab wann es bereit ist für eine Fremdbetreuung) noch kann man sich selbst in dieser neuen Rolle einschätzen. Wird man voll und ganz in dieser neuen Aufgabe aufgehen oder wird man sich schon bald nach einer beruflichen Aufgabe, neben dem Mama/Papa-Sein, sehnen?
Ich persönlich empfinde es als eine ganz individuelle Entscheidung, die von außen betrachtet nicht als “richtig” oder “falsch” eingeschätzt werden kann. Viel zu schnell wird bei diesem Thema von anderen geurteilt, dass man entweder eine „Über-Mutter“ ist, wenn man sich z.B. 2 oder 3 Jahre Elternzeit nimmt oder eine „Raben-Mutter“ ist, wenn man sein Kind schon wenige Wochen oder Monate nach der Geburt fremd betreuen lässt. Die Väter müssen sich noch häufig im beruflichen Kontext dafür rechtfertigen, wenn sie überhaupt Elternzeit nehmen wollen. Kein Außenstehender kann wirklich beurteilen, was für diese ganz individuelle Situation der Familie das “richtige” ist. Wichtig ist doch, dass sich die Eltern verantwortungsvoll mit dem Thema auseinandersetzen (und Aspekte wie z.B. die Bindung des Kindes an primäre Bezugspersonen und eine “kindgerechte” Betreuung mit einbeziehen). Viele Familien und vor allem Alleinerziehende sind mit Ängsten vor dem Verlust des Jobs oder dem geringen Elterngeld konfrontiert, sodass sie gefühlt keine Wahl haben, als bald wieder in die Arbeit einzusteigen.
Aufgrund meiner beruflichen und meiner persönlichen Erfahrung als Mutter kann ich lediglich dafür appellieren sich alle Aspekte, die einen Einfluss auf das Leben als Familie haben genau anzusehen und den Weg, für den man sich letztendlich entscheidet, so zu gehen, dass er sich für einen selbst und die anderen Familienmitglieder gut anfühlt.
Ich habe viele Eltern (vor allem Mütter) erlebt, die ein schlechtes Gewissen hatten, das Kind bereits nach einigen Monaten in der Krippe abzugeben. Manche sind gezwungen frühzeitig wieder in die Arbeit einzusteigen, um das Leben für sich und das Kind zu sichern. Andere haben sich über Jahre hinweg eine hochrangige Stellung im Berufsleben erkämpft und haben nun Angst diese Position zu verlieren, wenn sie zu lange von der Arbeit fern bleiben. Wichtig ist, dass man zu der Entscheidung, das Kind früh betreuen zu lassen stehen kann und dem Kind nicht unbewusst (durch die Schuldgefühle) das Gefühl gibt, dass es dort, wo es betreut wird, nicht gut aufgehoben ist. Kinder spüren diese Ambivalenz und es kann dazu führen, dass sie sich nicht (gut) auf die neuen Bezugspersonen und die Situation in der Einrichtung einlassen können.
Ebenso wichtig ist es, dass Mütter und Väter, die es sich leisten können und Freude daran haben, ihr Kind in den ersten Jahren beim Aufwachsen im Alltag zu begleiten und viel Zeit mit ihm zu verbringen, dies mit Gelassenheit und ohne ein schlechtes Gewissen aufgrund von (z.B.) gesellschaftlichem Druck tun können.
Die ersten Monate im Leben eines Kindes werden nie zurück kommen. Diese Zeit ist ein wichtiger Grundstein für das gesamte Leben. Wenn sich das Kind in den ersten Monaten und Jahren geliebt und geboren fühlt, stabile Bindungspersonen an seiner Seite weiß, kann sich ein Urvertrauen in die Eltern, in die Betreuungspersonen und in die Menschen (und die Welt) an sich entwickeln, was für alle weiteren Beziehungen im Leben von großer Bedeutung ist.
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